
Ein erster Herbsthauch liegt in der neblig kühlen Luft, Holzfeuer und neuer Wein. In der Wormser Vinothek erwarten uns zwei freundliche junge Servicekräfte, die gemeinsam mit uns diesen Abend
gestalten. Die erste Krimi-Lesung unter Coronabedingungen. Es ist alles vorbereitet. Ich habe mir einen Face-Shield zugelegt, mit
dem ich auch lese, was neben der veränderten Stimmung eine große Herausforderung darstellt. Es dauert eben eine Weile, bis sich die gewohnte Gelöstheit einstellt und der Funke überspringt
...

Auf der Fahrt hatte ich mich schon gefragt, ob das alles überhaupt noch Sinn ergibt. Ob ich mich nicht auch digital ausrichten sollte? In meiner Autorenzeitschrift war das ein großes Thema. Doch es widerstrebt mir, weil es in der direkten Begegnung mit Menschen immer diese netten Überraschungen gibt. Wie die drei Kollegen aus der IT-Branche, die sich für meine Infobriefe eine eigene Dunkelfelder-Mail-Adresse eingerichtet hatten. Oder der Austausch mit Hartmut Keil, einem Wormser Original, mit dem ich die Leidenschaft für das Schreiben, Wein und Kultur teile.
Die Sommermonate hatte ich für intensive Recherchen auch im Bezug auf die deutsche Geschichte genutzt. Vor diesem Hintergrund war der Rundgang am nächsten Morgen durch 2000 Jahre Stadtgeschichte ein
Geschenk. Der Dom, die Kunstwerke und Brunnen, der Gang an der Stadtmauer entlang, die vielen Drachen, das Nibelungenmuseum ...

Und ein imposantes Lutherdenkmal, denn in Worms musste der "widerspenstige Mönch" 1521 vor Kaiser Karl V. und dem Reichstag erscheinen. Man forderte ihn auf, zu widerrufen, seine
reformatorischen Ideen zurückzunehmen, was er aber nicht gemacht hat. Vielmehr soll er den berühmten Satz gesagt haben: "Hier stehe ich, ich kann nicht
anders."