Zum Frauentag bin ich auf eine der ältesten weiblichen Figuren in der Kunstwelt gestoßen. Die Darstellung der Siegesgöttin Nike wurde auf der griechischen Insel Samothrake gefunden und ist ungefähr 200 Jahre vor Christus entstanden. Als ich der Skulptur im März 2004 im Louvre in Paris gegenüberstand, hat sie mich zu einem Gedicht inspiriert. Ich fand es ganz unten, auf dem Boden meines literarischen Schuhkartons wieder und nichts wäre mir lieber, als wenn es dort liegen bleiben könnte, sich überholt hätte ...

Nike von Samothrake
Zweitausend Jahre alter Wind
fängt sich wallend in Deinen Gewändern.
Die Flügel weit aufgefächert,
schreitest Du zwischen Hass und Hoffnung
über die endlosen Felder der Schlacht.
Durch Zeit und Angst und sterbenden Stolz
zu immer neuen Kämpfen und Kriegen.
Jenseits der Grenzen des Grauens,
wo Kinderseelen stumm verbluten,
hast Du Deinen Kopf verloren.
Getrieben, bedrängt, umschmeichelt
von den Erben eines ewigen Wahns -
Herzblut und tausendfachen Tod
bieten sie Dir als Unterpfand
in ihrem geilen Verlangen nach Macht.
All Deine Freier hältst Du gefangen,
im Kerker der unstillbaren Gier.
Und jeder kurze Moment Deiner Gunst
zeugt in einem hastigen Inferno
nur neue gewaltige Gelüste.